„Wir müssen Kooperationen eingehen“

Die erste Message zum Thema Berufspolitik stand für jeden Bereich im Gesundheitssektor: Es wird nicht einfacher! Dr. Ralf Müller-Rath, 1. Vorsitzender des BVASK eröffnete den 29. Kongress in Düsseldorf vor rund 200 Orthopäden und Chirurgen nicht mit rosaroter Brille. Ob DRG, GOÄ oder EBM, die Konstrukte werden immer verworrener bzw. sind nicht der neuen Zeit angepasst. So ist die GOÄ beispielsweise im Prinzip wie der EBM kalkuliert. Es wird davon ausgegangen, dass vom Arzt zu 87,5 Prozent am Patienten gearbeitet wird. Bei der Bürokratie ist das kaum möglich. Für Arthroskopeure in Deutschland zeichnen sich derzeit deutliche Erlösminderungen ab. Und bei der Qualität blockiere der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sich selbst, seit die Datenschutz-Grundverordnung da ist, so Müller-Rath.

Auch bei Überlegungen zu einer Hybrid-DRG werde nicht zu Ende gedacht. „Wir Ärzte werden immer nur bepreist, aber nicht bewertet. Das muss sich ändern. Wir müssen im System den vergüten, der viel Wert am Patienten schafft“, sagte der Vorsitzende.

Tag der Arthroskopie

Zum ersten Mal gab es am 1. Februar den Tag der Arthroskopie. Und während in vielen Praxen, Kliniken und Zentren Veranstaltungen für die Patienten stattfanden, überlegten die Kongress-Teilnehmer verbandsübergreifend, in welcher Form die Arthroskopie für alle Patienten zugänglich gemacht werden kann.

Dr. Jürgen Klein, Vorstandsmitglied des BVASK referierte über die sich rapide ändernde Versorgungslandschaft. Darüber, dass Niedergelassene immer weniger zugewiesene Patienten bekommen, dass es nötig ist, sich Kooperationspartner zu suchen, wenn man seine OP-Zentren auslasten will. „Wir müssen Kooperationen eingehen. Das Modell der Einzelpraxis ist bald tot“, sagte Klein. Älteren Kollegen bleibe schon jetzt häufig nichts anderes mehr übrig, als ihre Praxis an Verbünde oder Medizinische Versorgungszentren abzugeben.

Jung, angestellt, in Teilzeit

Dr. Bernhard Gibis, Leiter Versorgungsstruktur bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) betonte, dass das Leistungsangebot in den nächsten Jahren eher zurück gehen werde. Viele Medizinstudierende wollen nicht mehr in die Chirurgie, ebenso viele wollen nur noch Teilzeit arbeiten und so wenige wie nie wollen noch Chefarzt an einer Klinik werden. Der Arztberuf ist ein freier Beruf und kein Gewerbe. Aber: Medizin sei auch ein Geschäft. Hier sei häufig der Konflikt: Verkaufe ich zum Beispiel meine Praxis preiswerter an einen jungen Kollegen oder hole ich mir viel Geld bei einer Kette?

Doch MVZ seien nicht nur zu verteufeln. Viele jüngere Ärzte wollen angestellt werden. „Da liegt es an uns, alles so attraktiv zu gestalten, dass der ein oder andere sich doch noch selbstständig macht“, so Gibis. Doch Müller-Rath gab zu bedenken, dass die Modelle nicht funktionieren, weil sie unterfinanziert sind. Für junge Ärzte lohne sich ein Kauf deshalb nicht, weil sich der Kaufwert nicht refinanzieren lässt. Dies sei kein selbst gewählter Weg der Orthopäden, sondern es fehle der entscheidende Druck seitens der KBV auf die Politik.

Auch bei der Frage „Ambulant oder stationär?“ sei klar, wohin der Trend gehe. „Die Leistung folgt dem Geld“, so Müller-Rath.

Ziele sind die besseren Träume

Als Ehrengast zum Kongress war der ehemalige Olympiasieger im Hockey, Moritz Fürste, geladen. Mitreißend berichtete er vom Leben und harten Training als Athlet, von seinen unzähligen Verletzungen, dem festen Willen und dem Immer-wieder-aufstehen. Sein Credo wurde der Satz „Ziele sind die besseren Träume“. Und so gewann er 5 Monate nach einem Kreuzbandriss mit seiner Mannschaft die Olympischen Spiele – ohne Kreuzband wohlgemerkt. Denn für eine OP war die Zeit bis zu den Spielen zu knapp. Mit dem richtigen Muskelaufbau, aber auch Entspannungstraining wurde es möglich. Ziel erreicht – Traum gelebt, so sieht es Fürste heute und sagt: „Jede Medaille hat ihre eigene Geschichte“.

Internetmedizin – wer profitiert wirklich?

Dr. Sepp Braun aus Innsbruck beleuchtete das Thema E-Health aus wirklich allen Blickwinkeln.

Fast 60 Prozent der Patienten informieren sich vor einem Arztbesuch im Netz zu ihrer Erkrankung. Über 60 Prozent sind es hinterher. Zum einen will der Arzt den aufgeklärten Patienten, zum anderen soll der doch bitte nicht so viel „Falsches“ googlen. Braun: „Die meisten medizinischen Inhalte im Netz sind von Behörden, Krankenkassen, der Industrie und Gesundheitsportalen. Selten von Ärzten. Dazu kommt, dass Patienten diese Infos fachlich nicht einordnen und bewerten können.“ Deshalb müssten die Ärzte jetzt fit sein im Netz, so Braun. Sie müssen wissen, was dort steht, müssen erklären können, warum gerade nicht diese, sondern jene Therapie zum Einsatz kommt. Sie müssen viel Zeit in die Kommunikation legen.

Fakt ist jedoch, dass die digitale Krankenakte, wissenschaftliche Datenbanken, die Telemedizin und die Radiologie mit ihrer elektronischen Vernetzung von hohem Wert sind für Patienten, Ärzte, Gesundheitssystem und Wissenschaft. Befunde und Verläufe sind digital auf Tablets abrufbar und immer verfügbar. Auch vom Smartphone in der Kitteltasche sind die Daten überall zugänglich. Dazu erleichtern Weiter- und Fortbildung in E-Kursen den Alltag, weil man dafür nicht mehr irgendwo hin fahren muss.

Um die Qualität der Datenlage zu verbessern sind auch das Arthroskopie- (DART) und Knorpelregister äußerst wichtig. Jeder Arzt, jeder Patient, der daran teilnimmt, zählt. Heute reden die Experten von „Datengold“. Big Data ist eine Chance mit echtem und wissenschaftlichem Wert. Problematisch wird das Ganze nur in der Hand des Falschen. Deshalb ist der Schutz der Daten für jeden Akteur eine vorrangige Aufgabe.

FAKE-News in der Medizin

Auch falsch geführten und falsch interpretierten Studien kann man mit eigenen Daten besser begegnen. Die riesigen Mengen an Daten richtig auszuwerten braucht jedoch gute Kenntnisse in der Statistik. Dass dies bei weitem nicht immer so ist, haben in den letzten vier Jahren so einige Studien, vornehmlich aus dem Ausland, bewiesen. Bei rund 39 Prozent der orthopädischen Studien seien falsche Methoden, immerhin noch bei 17 Prozent sogar falsche Schlussfolgerungen an der Tagesordnung, so Dr. Carolin Jenkner vom Studienzentrum der Universität Freiburg.

Man könne nicht einfach irgendwelche Therapien miteinander vergleichen. Wichtig ist das Outcome: Was interessiert mich? Soll der Schmerz gelindert werden oder soll der Patient wieder Sport treiben können? Ist die Stabilität wichtiger oder die Beweglichkeit? Vor- und Nachteile von Therapien sind immer relativ. Auch die Patientengruppen, Alter, Geschlecht und Stichproben sind wichtig. Von Kindern oder Kriegsveteranen kann eben nicht auf den Durchschnitt der Bevölkerung geschlossen werden. Das Fazit: Ein „besser“ oder „schlechter“ gibt es nicht. Es kommt immer auf den Endpunkt an, heißt: was will ich erreichen.

Und hier lässt sich der Bogen wieder zur Orthopädie und dem gesamten Gesundheitssystem spannen. Wir müssen für das kämpfen, was wir erreichen wollen.